Atmosphärisches Wochenbuch
Aktanten-Spiel
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Das Verlassenheits-Gefühl ist von kurzer Dauer. "Der König ist tot, es lebe die Königin."
Dies ist eine klassiche Formulierung für das atmosphärische Aktantenspiel auf Führungs- oder Repräsentanenebene. Die Bild-Zeitung zeigt den "Privatmann Köhler" winkend im Auto (Zitat "Ein Staatsoberhaupt wird abgewickelt") und bringt Ursula von der Leyen ins (typische) Bild. Über ein vordergründig als Berichtswesen erscheinendes Agieren wird das Ritual der Besetzung von atmosphärischen Aktanten (bzw. Aktantinnen) vollzogen bis zum abschließenden Ritual der Bestätigung durch die Wahl. Der mögliche atmosphärische Beitrag des neuen Aktanten wird über alle möglichen Rollenzuschreibungen, noch wichtiger aber, und seit Jahrtausenden so gemacht, durch den Einsatz der emotionalen Wirkungsmöglichkeiten von Bildern und symbolischen Gesten ausprobiert und zugleich propagiert. Das kann durchaus unterschiedlich lange dauern, und vor allem länger, als es derzeit beim Amt des Bundespräsidenten dauert - und das liegt m.E. nicht daran, daß für den jetzt eingetretenen Fall nur 30 Tage vorgesehen sind. (Durch die Bestattungsfeierlichkeiten für Konrad Adenauer, die im Fernsehen übertragen wurden, musste ich mit vielen anderen Kindern auf Wells Fargo verzichten.) Aber das Spiel geht so, daß die Lücke geschlossen werden muss, um zur atmosphärischen Wirkungsnormalität zurückkehren zu können.
Ob man der "Mutter der Nation" (BILD) das Amt verleyen wird?
Es lohnt sich, den BILD-Artikel von Rolf Kleine und Andreas Thewalt zu lesen. Ein Klassiker zur Atmosphärologie täglicher Pressearbeit. Er versorgt Millionen von Lesern mit der atmosphärischen Teilhabe, mit dem Abschied, als wären sie selbst dabei. Und man wird sie auch mit der Inthronisation der Königin versorgen. Und - mehr oder weniger unbemerkt - mit der Sorge ums eigene atmosphärische Befinden. Ähnlich wie es Moderatoren bei Song Contests hartnäckig versuchen (siehe Beitrag in diesem Wochenbuch vom 30.5.2010).
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