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Atmosphärisches Wochenbuch

Biermann Supergeil

Raimund Schöll am 08.11.2014

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Wolf Biermann hat die Atmosphäre des Bundestages gestern anlässlich der 25-Jahresfeier zum Mauerfall schön aufgehellt. Wo sonst mal mehr mal weniger staatstragende Reden gehalten werden, stand der Barde plötzlich mit Gitarre in der Hand da. Links vor ihm, im vollen Blickfeld - die Linken, die sich erkennbar abmühten, seinem Auftritt zu folgen. Und erstmal hat er gar nicht gesungen, wie ihm aufgetragen, sondern nur erzählt. Und das nicht schlecht. Er hat die vor ihm Sitzenden gleich direkt an ihre unschöne Historie erinnert, für einen Moment mit dem typisch biermännischen Zeigefinger, sonst aber recht unaufgeregt. Den Genuss, der ihn dabei befiel, konnte man gleichwohl spüren, während es für die Angesprochenen immer ungenießbarer wurde. "Ihr seid keine Linken, ihr seid Reaktionäre", hat er schließlich in den Saal geschmettert. Und dass man es heute nur noch mit dem „elenden letzten Rest“ der "Drachenbrut" zu tun habe. 

Geschmacklos, bedauerlich unneutral, Biermann hat eine Schmerzgrenze überschritten oder einfach nur seine kleine persönliche Revanche geübt. Das könnte man wohl so sagen. Hat er wahrscheinlich auch. Aber man muss sich fragen: wem gegenüber? Kein Missverständnis bitte, man konnte es deutlich vernehmen, wenn man es denn wollte. Biermann hat alle gleich zu Anfang wissen lassen, dass seine Einlassungen eben nicht den „komplexen Biographien“ sondern dem Kollektiv Linke gewidmet sind.

Das kann man nun trotzdem auch nicht gut finden oder einfach nur undifferenziert. Spektakulär war es allemal. Mich berührte es, darf ich sagen, weil man Worten so aus der Seele gesprochen für mein Gefühl im öffentlichen Raum nur noch selten lauschen darf. Die Linke, auch und gerade auch die nicht - das war die schlichte Message - und als vermeintliche Anhänger des historischen Materialismus gleich drei Mal nicht - darf sich so einfach frei machen von den SED-Flecken auf ihrer Weste. Und dass bis heute dort Töne nach dementsprechenden Noten angeschlagen werden, unverkennbar ist. Nicht mehr, aber auch nicht weniger wollte der Wolf gestern einfach mal gesagt haben.

Kommentare

26.11.2014

Matthias Ohler

Mei, jetzt isses mir doch, wo ich das lese, grad eher sympathisch, was da geschah. Aber der Wolfs-Drohung in Richtung Linke, sie seien verdammt (oder so ähnlich), sich das hier jetzt anzuhören, haftete doch was von Görings Reichtstagsgeraunze an anlässlich Hitlers Tiraden dort. Anmassend.

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