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Atmosphärisches Wochenbuch

Meinungsbildung

Raimund Schöll am 19.01.2012

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Zwischen Idealismus und Realismus, zwischen Entdecktem und Entdecker, gibt es einen Zusammenhang. Die zu entdeckende Sache wird vom Entdecker in Form gebracht. Der Entdecker ist ein Manipulator und Co-Produzent von Aussagen oder besser: von Vorschlägen.

Diese Idee - hier natürlich sehr verkürzt wieder gegeben - stammt vom elsässisch-französischen Soziologen Bruno Latour und fiel mir just ein, als ich die vielen Leserbriefe - immerhin nicht weniger als 27 - zur Kommentierung der Wulff-Affäre in der neuen Spiegelausgabe gelesen habe. Ich finde witzig und interessant zugleich wie unterschiedlich, ja bunt (von humorvoll bis ätzend, ausgewogen bis polemisch) auf der einen Seite die Vorschläge der Bevölkerung zur Auslegung der Causa Wulff ausfallen, und wie verbissen sich andererseits der deutsche Blätterwald - von BILD bis Spiegel –, mitsamt der Mehrheit diverser Talk-Show-Gäste, darum zu bemühen scheint, ein mehr oder weniger eineindeutiges Meinungsbild herbei zu führen.

Der Kampf um die Deutungshoheit fällt bei dieser Affäre hartnäckiger aus als bei vielen anderen Affären, kommt mir vor. Und er ist wohl auch immer noch nicht vollends entschieden.

Vielleicht wird man ja gerade deswegen irgendwann einmal auch einen Vorteil darin erkennen, dass Christian Wulff damals am Amt fest pappte: weil er auf diese Weise nämlich dazu beitrug, - unfreiwillig natürlich - dass sich die schweigende Mehrheit ein Meinungsbild nicht mehr so einfach machtvoll und schnell, von welchen Mächtigen auch immer, aufoktroieren lässt, sondern gerne selbst entdecken will, wie eine politische Sache zu bewerten sei.

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