Atmosphärisches Wochenbuch
Montagsgezwitscher
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Heute als ich mit einem Bekannten auf einer Bank im Park im Westen der Stadt in der Sonne saß, und die Blätter rauschten und die Vögel zwitscherten, so wie Vögel halt immer schon gezwitschert haben, Jahrhunderte lang - selbst als der erste Weltkrieg ausgebrochen war, haben sie in Berlin, in München, Wien und in Hamburg gezwitschert - und mir der Bekannte mitgeteilt hat, wie ihm die letzten Tage unaufgefordert Gedanken beiwohnten, die ihn jede Nacht bis in die Morgendämmerung hinein ohne Unterlass heimsuchten, und er bislang nichts dagegen tun hatte können, außer dass er diese Gedanken denken musste, musste ich, während der Bekannte sich mit hängenden Mundwinkeln darüber veräußerte und ihm vor lauter Aufregung die Brösel seiner Wurstemmel auf den Lippen fest pappten, an das Interview denken, das Thomas Bernhard einst im Sommer 1970, ebenso auf einer weißen Parkbank sitzend, gegeben hatte, und auch dort die Vögel ohne Unterlass gezwitschert haben, und ob es da nicht einen Zusammenhang gibt, in der Weise, dass nämlich abseitige Gedanken immer von Vogelgezwitscher begleitet sind, ja es naturgemäß schon immer waren, auch im alten Griechenland oder sonst wo, zumal ich, jetzt wo ich das hier aufschreibe, auch laut und deutlich dieses Gezwitscher höre, genauso wie es bei Thomas Bernhard während des Interviews im Park und heute auf dieser Bank mit meinem Bekannten gezwitschert hat.
(O.G.)
Kommentare
09.07.2013
E.S.
Bei mir ist das anders. Während ich das hier lese und mich meine eigenen abseitigen Gedanken von der Arbeit abhalten, gibt es in unserem Hinterhof kein Vogelgezwitscher, obwohl die Fenster weit offen stehen. Ich höre das mahlen einer Kaffeemaschine, das surren eines Kopierers und das, Gott sei Dank, ferne telefonieren eines Cholerikers. Aber vielleicht sind meine Gedanken noch nicht abseitig genug.
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