Atmosphärisches Wochenbuch
Rumdödeln
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Manchmal, wenn ich viel unterwegs war und ebenso viel gearbeitet habe, ruft das ex post mein angeborenes, ja fast zwanghaftes Bedürfnis, uneffizient zu sein auf den Plan. Sitzen atmen gucken oder gucken sitzen atmen. Hin und wieder sogar - nur atmen. Zur Meditation fähig ist man ja hin und wieder auch ohne Zafu, mit Kaffeetasse in der Hand. Eine Art dialektische Gegenbewegung, die sich da in einem angenehm bemerkbar macht. Die Welt ist alles was der Fall ist (Witti). Klar, aber jetzt bestimme ich die Welt.
Meistens muss ich aber nicht allzu lange warten, dann fordert etwas in mir mich auf, doch wieder Nutzbringendes anzustellen, meinem Dasein gleichsam die gerade Linie zurück zu geben. Stimmt ja auch irgendwie. Eine der Familienlinien ist immerhin protestantisch calvinistisch geprägt. Der Apfel fällt so gesehen nicht weit vom Stamm.
Was dann daraus entsteht ist das, was ich als Rumdödeln bezeichne. Rumdödeln heißt, einerseits was Nutzbringendes tun zB den Abwasch machen, Hemden falten, den Hund ausführen, Telefonate erledigen, andererseits parallel dazu irgendwas anderes wirklich 100% Zweckfreies machen. ZB mal 6 Minuten in den abgeschalteten Fernseher reinschauen, 10 Sekunden der Fliege im Wohnzimmer hinterherklimpern, bei einer Tasse Tee das Loch in der Socke feiern. Neulich hab ich mich dabei ertappt, wie ich im Bad die Faltenmuster der Gardine auszählte.
Und wie es der Zufall wollte, hab ich grad eben die neue ZEIT-Ausgabe vor mir liegen. Die ruft von der Titelseite her zu: „Ewiges Wirtschaftswachstum macht nicht glücklich“.
Sag ich doch.
Kommentare
02.03.2013
Raimund
Sehr schön, das mit dem Hinterherrennen. Wenn alles rennt, rinnt auch was weg.
That's it!
02.03.2013
deaXmac
Wie auch sollte "ewiges Wirtschaftswachstum glücklich machen"?
Auch wenn man Geld für sich arbeiten läßt, muß man doch als Investmentbanker trotz "stop buy/stop sell" immer online sein. Und was nutzen herumschwirrende Zahlen und Kursbewegungen im virtuellen Raum? Ganz zu schweigen von den Abgründen von Kursstürzen.
Rumdödeln, die Seele baumeln und Fünfe gerade sein lassen ... Die Welt alles sein lassen, "was der Fall ist" und eben nicht hinterher rennen.
Ach, wie schön.
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