Atmosphärisches Wochenbuch
Statusk(r)ämpfe - Atmosphärologie in der Coachingpraxis
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In einem Coaching lautete die Ausgangsfrage eines Klienten, wie er sein allgemeines Unwohlsein, das er in seinem beruflichen Leben seit längerem verspüre, in den Griff bekommen könne. Es handelte sich um einen erfolgreichen Manager eines erfolgreichen deutschen Unternehmens. Ich antwortete ihm, dass ich es nicht wüßte, bot ihm aber an, diese Frage gemeinsam atmosphärologisch zu beforschen. Er willigte ein. Ich schlug ihm drei Fragen zur näheren Betrachtung vor. Sie lauteten: 1. In welchen Sphären bewegen Sie sich derzeit? 2. Mit wem oder was bilden Sie relevante Blasen? Und 3. Wie ist es darin?
Nach einer kleinen Anfangsirritation und kurzen Einführung in die Sphärologie (der Hinweis auf Peter Sloterdijk sollte nicht fehlen), fand mein Klient, nennen wir ihn Herrn A., die Vorgehensweise inspirierend: "So habe ich darüber ich noch nicht nachgedacht", lautete sein Einlass. Wir untersuchten nun die (sozialen und physischen) Räume, in denen er sich tagtäglich aufhält. Um ihm seinen "Spaziergang durch die Sphären" zu erleichtern, ging ich ans Flip-Chart. Herr A. beschrieb, ich visualisierte. Währenddessen konnte ich beobachten, wie Herr A. die beschriebenen Räume beinahe physisch betrat. Die Blase "Mitarbeiter" - ein freundlicher entspannter Gesichtsausdruck. Die Blase "Kollegen" - Nachdenklichkeit und hängende Schultern. Die Blase "Kunden" - Freude. Es kam noch zu einigen Blasen mehr, die sehr unterschiedliche emotionale Reaktionen hervorriefen. Für Herrn A. stellte sich bald heraus, dass er sich in gewissen Blasen signifikant unwohler fühlt als in anderen. Er nannte diese Sphären "Stressblasen". Meine weitere Frage war nun: was - vermuten Sie - ist in den Stressblasen beitragswirksam? Mit anderen Worten: welche Aktanten bedingen die Atmosphäre dort? Wir kamen zu interessanten Details, die ich hier nicht genauer aufführen möchte. Was sich nach etwa zwei Stunden allerdings heraus stellte war: insbesondere die Blasen, in denen er nicht autonom handeln konnte, er abhängig war vom Handeln anderer und jene, in denen er glaubte seinen Status verteidigen zu müssen, waren für sein Unwohlsein verantwortlich. Das letzte Drittel des Coachings verbrachten wir mit biographischen Bezügen zum Thema. Herr A. erinnerte sich daran, wie sein ganzes bisheriges Leben von Konkurrenzkämpfen durchwoben war. Schon im schweizer Internat hatte er gelernt, sich durchzusetzen: "Ich wollte mir nie was sagen lassen." Er sah den Kampf um Status als überlebensnotwendig an.
Für den Klienten war das Coaching ein Erlebnis. Die atmosphärische Perspektive ermöglichte ihm neue und verfremdete Einblicke in seine tägliche Managementpraxis. Für ihn stand nach dieser Sitzung fest, dass er seine Affinität zu Statuskämpfen und -krämpfen weiter näher in Augenschein nehmen würde, da diese Aktanten erheblichen Einfluss auf sein Wohlbefinden ausübten. Auch für mich war diese Coaching-Sitzung eine positive Erfahrung. Die praktische Atmosphärologie ermöglichte mir einen spürbaren Einblick in die Lebensformen des Herrn A. und wie er dort versuchte sich zu bewähren. Seine Atmosphären waren im Coaching für uns beide erlebbar und dennoch gab es genug Abstand für eine kühle Schau und systemische Reflexion.
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