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Atmosphärisches Wochenbuch

Unterwegs mit C.G.J.

Raimund Schöll am 22.04.2012

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Gerade lese ich im Flugzeug in C.G Jungs Biographie. Ich selbst würde mich mit ihm ja auch eher als Innenschauer, als Introspektist gewissermaßen, bezeichnen. Bereits als Kind habe ich versucht, mir selbst in die Seele zu blicken. Und tat ich dies mit einer gewissen Selbstverständlichkeit. Früh schon, erinnere ich mich, mir meiner körperlicher, seelischer, geistigen Äußerungen bewusst gewesen zu sein. Nicht der Inhalte natürlich. Ich merkte nur, dass da was ist - etwas Unbegreifliches, nicht Anfassbares, aber eben nicht nichts. Dass das Innere sich im großen und ganzen unwillkürlich verhält, fiel mir früh schon auf. Da tut sich etwas, da prozessiert was vor sich hin, und es prozessiert, ohne das man dabei offensichtlich absichtlich etwas dazu beisteuert. So oder so ähnlich erlebte ich das - besser gesagt, fühlte ich das als Kind , - erlebte mich selbst quasi als lebendes, sprich lebendiges System.

Doch stand für mich das Innere auch immer schon im Zusammenhang mit Äußerem. Früh schon war es mehr oder weniger eine Selbstverständlichkeit, dass durch ein Äußeres, das sogenannte Drum-herum, das Innere hervorzutreten vermag. Das Äußere kann gut als Äquivalent des Inneren herhalten. Wie das Innere oft auch als Äquivalent des Außen fungiert. Man denke nur an Landschaftgestaltungen, Stadtplanungen, oder an Bilder oder Gebäude. Malen oder bauen wir so wie wir uns fühlen? oder fühlen wir uns, weil wir so oder so gemalt oder gebaut haben? Und wer vermag das zu entscheiden? Muss es überhaupt entschieden werden? Alles zusammen – das Innen und Aussen - jedenfalls ergibt im Wechselspiel das, was wir gewöhnlich Atmosphäre nennen. Das Wo-und-wie man-gerade-ist wäre die Atmosphäre. Interessanterweise gebraucht C.G. Jung den Begriff in seinem autobiographischen Erinnerungen in ähnlichem Sinne.

Inzwischen fliegt das Flugschiff über die Elbe. Landeanflug. In der Ferne ist der Hamburger Hafen zu sehen. Diesig die Sonne, die auf Parks, Straßen, Autos und Häuser scheint. Gerade kam mir – unwillkürlich -  mein erster Alleinflug in den Sinn. Ich muss um die fünf oder sechs Jahre alt gewesen sein, als ich das erste Mal so in einer Propellermaschine saß und zu meiner Großmutter nach Berlin flog. Ich sah wie jetzt aus dem Fenster, und ich staunte über das, was sich von unten her zeigte. Meine Mutter brachte mich damals zum Flughafen und übergab mich den Stewardessen, die mich warmherzig in Empfang nahmen. Ich war sehr aufgeregt gewesen, aber die Stewardessen schafften das Kunststück, mir im Nu ein Geborgenheitsgefühl zu schenken. Mit C.G. Jung würde man meinen können, dass sich durch dieses Erlebnis meine Vorliebe fürs Unterwegs-Sein und Fliegen herausgebildet hat. Könnte sein, denn heute noch, wenn mir Stewardessen begegnen, fühle ich wie damals. 

(O.G., Tagebucheintrag)

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